Wie hat sich die Taufe im Laufe der Jahrhunderte verändert?

Kaum über ein anderes innerkirchliches Thema wird so leidenschaftlich diskutiert, ist Ursache tiefer Streitigkeiten und führte sogar zu Kirchenspaltungen wie dieses: die Taufe.
Grund genug, sich die Geschichte der Taufe und ihren Wandel etwas genauer anzuschauen.
Ich möchte in diesem Text nicht auf theologische Fragen zur Taufe eingehen und weder “richtige” noch “falsche” Taufpraktiken bewerten. Es geht mir vielmehr um die interessante Frage, wie sich die Taufpraxis im Gegensatz zu den biblischen Quellen im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert hat und welche Gründe es dafür gibt.
Um das zu verstehen, müssen wir dort anfangen, wo die christliche Taufpraxis begründet ist: im Neuen Testament und zwar schon vor Jesu Wirken..

Das Grundverständnis der Taufe

Wenn wir heute davon sprechen, dass sich ein Erwachsener taufen lassen will, hat jeder eine mehr oder minder klare Vorstellung, was das bedeutet:. Die Taufe ist von zwei Seiten motiviert. Auf der einen Seite ist sie das sichtbare Zeichen, dass Gott Ja zu einem Menschen sagt. Durch das Sakrament der Taufe wirkt Gott erneuernd in ihm.
Auf der anderen Seite, möchte ein Mensch seinen neu gewonnen Glaubens an die Dreieinigkeit nach außen sichtbar bekennen und lässt sich als Zeichen dafür im oder mit Wasser taufen. Der alte, gottlose Mensch war vor Taufe. Der in Christus neue Mensch, dem das ewige Heil Gottes zugesprochen wird, entsteht aus der Taufe. Deshalb ist die Taufe für die katholische Kirche heilsentscheidend. Für die Protestanten nicht.

Woher kommt das Wort Taufe?

Das Wort Taufe leitet sich vom griech.  baptízein (βαπτίζειν) ab und bedeutet soviel wie “ein- oder untertauchen”. Daher ist die Taufe naturgemäß mit dem Symbol des Wassers verbunden.
Grundsätzlich wird biblisch unterschieden zwischen:
• der Taufe mit dem Heiligen Geist. Hier gibt es nur geringe Meinungsverschiedenheiten unter echten Bibelkennern. „In einem Geist sind wir [die Christen] alle zu einem Leib getauft worden.“ (1.Korinther 12,13)
• der Wassertaufe. Hier findet sich der Hauptstreitpunkt, der die Christen in zwei große, gegensätzliche Lager spaltet.  Die eine Sicht betont die Glaubenstaufe als Erwachsener. Die andere Sicht befürtwortet die Haus- oder Paedo-(= Kinder) Taufe.

Massen-Taufe

Massen-Taufen gab es nicht nur zur Zeit der Apostelgeschichte, sondern auch heute noch

So tauft man im Neuen Testament

Im neuen Testament findet sich die erste Erwähnung einer Taufe im Zusammenhang mit Johannes dem Täufer. Sein Motiv war es, Menschen zur Buße und Umkehr von ihren gottlosen Wegen zu rufen. Mit seiner Taufe wollte er auf den hinweisen, der nach ihm kommt und mit “Heiligem Geist und Feuer tauft” (Mat. 3,11). Jesus selbst ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Nachdem er getauft wurde, kam der Heilige Geist auf ihn. Somit folgte seine Geistestaufe der Wassertaufe.
Jesus selbst taufte übrigens niemanden.

Nach Jesu Auferstehung und Himmelfahrt tauften die Apostel. Oft wurde die Wasser- und Geistestaufe kombiniert. Manchmal wurden bereits von Johannes getaufte Menschen erneut getauft (Apg. 19,5+6), manchmal nicht (Apg. 18,25). Die „Taufe“ wird in der ganzen Apostelgeschichte 25-mal erwähnt. Davon 8-mal in Bezug auf die Taufe des Johannes.
Paulus’ Taufverständnis war es, dass ein Täufling in den Tod Christi getauft wird und mit ihm „begraben (wird) in den Tod“. Gleichzeitig ist es aber auch eine Taufe in die Auferstehung Christi. Der Täufling steigt aus dem Wasser und hat den neuen Menschen “angezogen”. “Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden” (2.Kor. 5,17). Durch die Taufe überschreitet der Täufling also eine erlebbare Schwelle von seinem alten Menschsein zu einem neuen Leben in Christus.

Taufpraxis von den Aposteln bis in die Spätantike

Die Apostel tauften nach der Apostelgeschichte nur auf den Namen Jesu Christi. Die Kirche des 1. bis 3. Jahrhunderts dagegen folgt dem Taufbefehl Mt 28,19 (Einheitsübersetzung) und taufte „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. So zeigt es die älteste überlieferten Kirchenordnung, der Didache.
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die diese Kirchenordnung erlaubt, in fließendem Wasser, in kaltem oder im warmen Wasser zu taufen. Wenn kein fließendes oder stehendes Gewässer in der Nähe ist, soll dreimal Wasser über den Kopf des Täuflings gegossen werden. So begegnete man ganz pragmatisch damaliger Wasserknappheit.

Bereits im 2. Jh. nach Christus hielt die Lehre der Taufwiedergeburt in die frühe Kirche Einzug. Man glaubte, dass die Taufe heilsnotwendig ist und den sicheren Eintritt in den Himmel verschafft. Da war es nur folgerichtig, dass man anfing, Säuglinge so früh wie möglich zu taufen. Schließlich wollte man sicher sein, dass sie bei einem möglichen plötzlichen Tod ganz sicher in den Himmel kommen würden. Bei der damaligen hohen Kindersterblichkeit wurde dieser Ritus zu einer Art “Ewiges-Leben-Versicherung”.

Als Erster verurteilte Pelagius und Tertullian, Zeitgenossen Augustinus’, die Praxis der Kindertaufe etwa im Jahr 197 n.Chr. Da sie auch die Existenz der Erbschuld ablehnten, konnten sie die Säuglingstaufe unter der Prämisse anerkennen, dass das unschuldige Kleinkind in Christus geistig neu geschaffen und somit durch die Taufe zum Teilhaber des Himmelsreiches wird.
Dennoch wurde die Kindstaufe bis zum 5. Jh. die vorherrschende Praxis der ganzen Kirche.

Der Geistempfang war in biblischen Zeiten mit der Taufe verbunden. Wahrscheinlich als Reaktion auf eine gnostische Lehre wurde er im 3. Jh. aus der Taufhandlung herausgenommen. Er wurde durch eigene Handlungen, wie die Salbung mit Chrisam und durch die Handauflegung, ersetzt.

Erwachsenen-Taufe in Madagaskar

Erwachsenen-Taufen wurden früher nur durch komplettes Untertauchen durchgeführt

Die Taufe im Mittelalter

Als Revolutionäre ihrer Zeit können Columban und die Mönche von Iona bezeichnet werden, die im 6.Jh. die Ersten waren, die eine Taufe erst nach dem eigenen Glaubensbekenntnis befürworteten.

Auch die Armenier kämpften einige Zeit später dafür, dass ein Taufwunsch nur vom Betroffenen ausgehen könne. Sie waren der Ansicht, dass es Ausdruck des persönlichen Glaubensbekenntnisses sein sollte und dass dieser Fakt bei der Kindstaufe nicht gegeben sei. Auch die verfolgten Waldenser (1200-1500 n. Chr.) vertraten diese Haltung.
Das mittelalterliche Taufverständnis
Thomas von Aquin verstand Gott als „Prinzipalursache“ der Taufe. Im Taufwasser sah er die „Instrumentalursache“ der Gnadenwirkung, um die Erbsünde zu tilgen. Der dritte Bestandteil der Taufe war die notwendige Absicht des Täuflings (intentio). Diese Lehre wurde per Bulle ab 1439 verkündet und beschreibt bis heute das Taufverständnis der katholischen Kirche.  Per Bulle verbreitete sich auch die Taufgewohnheit des Übergießens anstelle des Eintauchens.

Luther wie auch der Schweizer Theologe Zwingli zählten die Taufe mit dem Abendmahl zu den Sakramenten. Luther verstand sie als sichtbar gewordene Zusage der Vergebung durch Christus an den Täufling. Durch dieses sog. “Gnadenmittel” bietet der Heilige Geist die Vergebung der Sünden und das Versprechen des ewigen Lebens an. Der Täufling musste, wenn er erwachsen war, versprechen, nicht mehr zu sündigen. Als Säugling wurde die Taufe als Zeichen dafür verstanden, dass sie nun Kinder Gottes werden. Die Taufe konnte durch Besprengen, Begießen und Untertauchen erfolgen. Hauptsache, es wurde Wasser verwendet. Außerdem musste sie im Namen des Dreieinigen Gottes geschehen. Die Buße verstand Luther als sich täglich wiederholende Taufe.

Für Zwingli waren die Sakramente nur Zeichen, die auf eine viel größere Wirklichkeit dahinter hinwiesen. Die Taufe selber kann also nicht von Sünden reinigen, sondern weist auf das innere, vom Geist gewirkte Heilsgeschehen hin. Luther dagegen betonte auch die Heilsamkeit des Taufwassers.
Er sah die Kindstaufe in einer Linie mit der jüdischen Beschneidungszeremonie. Die Taufe wurde damit zum Bundeszeichen, das zeigte, dass der Getaufte zu Gott gehört. Wie in der jüdischen Tradition haben die Eltern die Verantwortung das Kind taufen zu lassen und es im christlichen Sinne zu erziehen. Einfach gesagt: weil das Kind christliche Eltern hat, gehört es zu Gott.

Baby-Taufe im Taufbecken

Baby-Taufen führen auch heute zu geteilten Meinungen

Neue kirchliche Strömungen führen zu unterschiedlichen Taufverständnissen

Die Täuferbewegung, die sich im 16. Jh. parallel formierte, lehnte die Babytaufe ab. Sie setzte sich stattdessen für die Gläubigentaufe ein, denn für sie war die Taufe ein aktives, persönliches Bekenntnis zum Glauben.
Diese Haltung wiederum lehnt Zwingli ab. Er sah in der Taufe ein Zeichen des Bundesschlusses Gottes, der seine Gnade wiederspiegelt und somit der persönlichen Glaubensentscheidung vorauslaufe. Diese Betonung des Bundesgedankens in der Tauflehre, der Altes Testament und Neues Testament verknüpft, ist bis heute im Verständnis und Praxis der Taufe in reformierten Kirchen verwurzelt.
Auch der Schweizer Theologe Johannes Calvin folgt Zwinglis Haltung und führt sie weiter. Er sieht in der Taufe das “äußere Zeichen des göttlichen Wohlwollens gegen uns” und bezeichnet sie als „Unterpfand“ der Gnade Gottes und als Wahrzeichen, “dass wir so wahrhaftig von unseren Sünden geistlich gewaschen sind, wie wir leiblich mit dem Wasser gewaschen werden.“ (Heidelberger Katechismus Frage 73). Für ihn ist die Taufe jedoch nicht heilsnotwendig.

In England entstanden zum Ende des 16. Jhs. die Strömung der Indipendents (Unabhängige), die Kleinkinder tauften und bei denen mindestens ein Elternteil gläubig sein musste. Die zweite Strömung bildeten die Baptisten, die lediglich die Erwachsenentaufe praktizierten.

Die Bewegung der Quäker konzentrierte sich im England des 17. Jhs. ganz auf das Erfülltsein durch den Heiligen Geist und lehnte die Wassertaufe komplett ab.

Auch in der entstehenden “Brüderbewegung”, Anfang des 19. Jhs. war man sich nicht über eine eindeutige Taufpraxis einig. Während J.N. Darby betonte, dass ein getauftes Kind eines Christen ein Vorrecht auf den Himmel erhielt, sahen es einige seiner “Mitbrüder” wie C.H. Mackintosh ganz anders. Sie setzten sich dafür ein, eine Taufe solange zu verschieben, bis ein klares Glaubensbekenntnis abgegeben werden konnte.

Gott berührt Mensch

Protestantisches Taufverständnis: Gott sagt als Erstes Ja zum Menschen

Taufpraxis im heutigen Protestantismus

Bei der lutherischen und reformierten Tradition erfolgt die Taufe heute auf drei Arten:
• durch Untertauchen: Der Täufling wird mit dem ganzen Körper im Taufbecken oder in einem anderen Gewässer untergetaucht.
• durch Begießen: Das Taufwasser wird über dem Kopf des Täuflings ausgegossen.
• durch Besprengung: Symbolisch wird der Kopf des Täuflings mit ein paar Wassertropfen besprengt.

Die lutherisch-reformierte Strömung übt heute hauptsächlich die sogenannte Bekenntnistaufe aus. Hier steht die allen angebotene göttliche Gnade im Vordergrund, was die Möglichkeit der Kindstaufe erklärt.
Der evangelikalen Strömung der sogenannten Bekennerkirchen, geht es um die persönliche Glaubensüberzeugung des Getauften. Daher taufen sie nur Erwachsene.
Reformierte, Lutheraner und Baptisten verstehen die Taufe als sichtbares Zeichen der unsichtbaren Gnade Gottes.
Sie ist das Symbol der Gemeinschaft mit dem gestorbenen und auferstandenen Jesus Christus. Zudem gibt der Geist Gottes durch die Taufe neues Leben, das den Sünder zum Kind Gottes macht.

Autor: Marco Schnell

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Quellen:

Taufhandlungen in der Urgmeinde
Taufverständnis bei Lutheranern und Baptisten
Taufzeremonien
Kirche bei Pelagius